SWR Interstellar Overdrive IOD

Meine Suche nach DEM Röhrenvorverstärker führte mich eines Tages auch zum SWR Interstellar Overdrive (IOD). Besonders interessant fand ich die Tatsache, dass der IOD vorrangig als Bassoverdrive entwickelt wurde. Mir war SWR bis dahin nur als Hersteller hochwertiger und i.d.R clean ausgelegter Bassverstärker bekannt.
Jeder, der gerne einen verzerrten Basssound fährt weiß, dass dadurch ordentlich Bassfundament verloren gehen kann. Abhilfe schafft ein mischbarer Effektloop (z.B. Boss LS-2). Dem cleanen (bassigen) Signal wird das verzerrte mitten-/höhenlastige Basssignal hinzugemischt.
SWR stellte sich der Herausforderung, einen Preamp zu entwickeln, der eben diesen mischbaren Weg in einem Gerät bietet. Dem cleanen Signal soll stufenlos das verzerrte Basssignal hinzugemischt werden können.
Durch andere Preamps (H&K BassMaster, Warwick Quadruplet), welche ebenfalls eine Endstufenröhre zur Signalformung benutzen wusste ich, dass dies m.E. sehr gut zum "Vollröhrenfeeling" beitragen kann. Ein Grund mehr für mich, diesen Preamp genauer zu testen.

Übersicht

  • Bauform: 19", 1HE, Stahlblechgehäuse
  • Einbautiefe: 200 mm
  • Röhrenbestückung: 1x 12AX7, 2x EL84
  • Klangregelung: Bass, Mid, Treble, Aural Enhancer
  • Eingänge: Passiv (Klinke), Aktiv (Klinke)
  • Ausgänge: Unbalanced Out (Klinke), Balanced Out (Klinke + XLR), Speaker (Klinke)
  • Sonstiges: Balanced Line Out (XLR), Effekt Send+Return (Klinke), Ground Lift, Externes Volumenpedal

Konzept

Als erstes fällt das doch sehr hohe Gewicht auf (4,8 kg), welches sich durch die Verwendung von 2 mm Stahlblech bei der Gehäusefertigung begründet. SWR-typisch sind die frontseitig links und rechts angebrachten Rackgriffe, welche ein Einsetzen und Herausnehmen aus dem Rack erleichtern.

Input

Die Anschlüsse für den Bass sind in herkömmlicher Klinkenbauweise vorhanden. Dazu ist ein Anschluss für passive Bässe und ein Anschluss für aktive Bässe vorhanden. Der links vorhandene "Direct Output Pad" bestimmt die Lautstärke des am "Unbalanced DI-Out" und am "Balanced DI-Out" anliegenden Signals. Dies kann bei Mischpulten mit empfindlichen Eingängen ganz hilfreich sein. Sehr sinnvoll scheint die Platzierung des Potis auf der Vorderseite des Gerätes.

Drive / Externe Regelung

Der Drive-Regler bestimmt wie bei anderen Amps auch die Signalstärke, welche dem Preamp zur Verfügung steht. Der Grad der Verzerrung wird maßgeblich mit diesem Regler beeinflusst. Alternativ dazu kann ein externes Volumenpedal angeschlossen werden, welches eine Drive-Regelung während des Spiels ermöglicht. Durch den Anschluss eines einfachen Fussschalters kann zwischen cleanem und verzerrtem Signal gewählt werden (on/off).
Mittels des Blend-Reglers kann dem cleanen Basssignal das verzerrte Basssignal stufenlos hinzugemischt werden. Wie am Anfang schon beschrieben, bleibt so ein Großteil des Bassfundamentes auch bei eingeschalteter Zerre erhalten. Direct bedeutet hier CleanLine bedeutet Overdrive.
Das Blend-Poti ist als Pull-Up-Poti ausgeführt. Somit kann zwischen "In-Phase"- und "Out-of-Phase"-Sounds gewählt werden.

Klangregelung

Die 3-Band-Klangregelung bietet Potis für BassMitten und Höhen. Sie arbeitet sehr präzise und gut einstellbar. Die "Center"-Position bedeutet hier eine neutrale Einstellung.
Der Aural Enhancer ist eine SWR-typische Klangregelung, welche es ermöglicht, dass auch richtig "dicke" und bassige Sounds luftig und weniger mumpfig klingen. Je weiter in Richtung max gedreht wird, desto mehr "gefühlte" Mitten und Höhen werden dem Sound hinzugefügt. In Verbindung mit dem Blend-Poti sind so richtig gute "Röhrenfeeling"-Klänge möglich.

Master / Standby

Wie bei vielen anderen Amps bzw. Preamps auch bestimmt das Master-Poti das Gesamtvolume des SWR IOD. Eine kleine "Besonderheit" stellt der Standby-Switch dar. Der IOD arbeitet u.a. mit 2 EL84 Endstufenröhren welche in Zusammenhang mit einem kleinen Ausgangsübertrager arbeiten und somit den typischen "Vollröhrensound" des Preamps mitbestimmen. Bei Nichtgebrauch des Preamps, z.B. in Spielpausen, kann der Preamp in den Standby-Modus versetzt werden. Die Röhrenheizung arbeitet weiter, jedoch liegt keine Hochspannung an den Röhren an.

Output 1

Der Balanced Output (XLR) bietet die allgemein übliche Anschlussmöglichkeit für eine PA. Mittels des Groundlift-schalters können eventuell auftretende Brummschleifen unterbrochen werden. Das hier anliegende Signal wird vor der weiteren Klangregelung abgegriffen (Pre). Der Unbalanced DI-Out bietet u.a. die Möglichkeit, einen Tuner anzuschließen. Beide Ausgänge sind abhängig von der Poti-Stellung des Direct Output Pads (siehe oben).

Röhrenabdeckung

Diese Abdeckung hätte ich mir auch bei den anderen von mir getesteten Preamps gewünscht. Sie stellt nun nicht unbedingt ein "Muss" dar, jedoch ist sie beim Röhrentausch sehr hilfreich. Sie ermöglicht den schnellen und unkomplizierten Röhrentausch. Für diejenigen, die gerne verschiedene Röhren testen...

Output 2

Neben den Anschlüssen für den Effekt-Loop (Effect-Send und Effect-Receive) ist ein Speaker-Out vorhanden, der den Anschluss eines Speakers erlaubt. Wie schon geschrieben, arbeiten intern zwei Endstufenröhren auf einen Ausgangsübertrager, der stark genug ist, den Preamp als alleinigen vollwertigen Verstärker zu betreiben. Natürlich nur mit 5 - 8 Watt Leistung. Das ist für Übungszwecke völlig ausreichend. Diese Möglichkeit ist jedoch auch für mikrofonierte Studioaufnahmen sehr interessant, da der IOD einen amtlichen Vollröhrensound bietet. Bei angeschlossenem Speaker ist jedoch nur derDrive-Regler aktiv, welcher die Lautstärke und den Grad der Zerre regelt.
Das Signal, welches am Unbalanced Line Out und am Balanced Line Out (XLR) anliegt, durchläuft die gesamte Klangregelung des Preamps. Beim Balanced Line Out (XLR) wird die Lautstärke durch denDirect Output Pad beeinflusst, beim Unbalanced Line Out jedoch nicht.

Sound & Fazit

Mit dem Hughes & Kettner BassMaster und dem Warwick Quadruplet habe ich bisher schon zwei Preamps getestet, welche dem immer wieder gesuchten und gefragten "Vollröhrensound" sehr nahe kommen. M.E. ist die Schaltung einer Endstufenröhre (hier jeweils Röhren des Typs EL84) zur Klangformung dafür ausschlaggebend. So auch beim SWR Interstellar Overdrive. Hier sind sogar gleich zwei Endstufenröhren verbaut, welche zudem wie beim H&K BassMaster in Verbindung mit einem Ausgangsübertrager dazu dienen können, den Preamp als vollwertigen Verstärker zu nutzen. Natürlich reicht die Leistung von ca. 5 - 8 Watt nicht aus, um ganze Gigs zu beschallen. Es ist jedoch ausreichend, um zu Hause zu üben oder um mikrofonierte Session abzuhalten. Schade ist nur, dass bei angeschlossenem Speaker die Klangregelung vollständig umgangen wird.
Für Leute, die auf der Suche nach einer Basszerre sind, die nicht das Tiefenfundament beschneidet, ist der SWR IOD ebenfalls sehr zu empfehlen. Zur Verzerrung des Basssignals werden die Endstufenröhren in die Sättigung gefahren und somit ein sehr schöner tiefmittiger Zerrsound erzielt. Der Zerrgrad kann durch das Zusammenspiel des Drive- und des Blend-Reglers eingestellt werden. Mittels des Blend-Potis kann das cleane Basssignal mit dem verzerrten Basssignal stufenlos gemischt werden. Von feinem "Crisp" bis "Zerre" ist alles möglich. Richtig "breites Brett" ist aber nicht die Stärke des IOD. Die Zerre bleibt aber in allen Einstellungen sehr schön weich und wird nicht "harsch". Der Klang wandert auch nicht in Richtung Mitten und Höhen, er behält ein dickes Bassfundament. Im Vergleich zum Quadruplet oder zum Ampeg SVP-Pro ist die Zerre des SWR weicher und m.E. besser gelungen.
Der Aural Enhancer bietet zudem die Möglichkeit, dem Klang gewisse "Obertöne" hinzuzufügen, was das "Vollröhrenfeeling" sehr bestärkt. Der Sound des IOD bleibt in (fast) allen Einstellungen im Bandkontext immer sehr durchsetzungsfähig, da er nicht "mumpfig" wird. Die sehr gute und präzise Klangregelung ist sehr gut gelungen, steht bei mir aber meistens in der Neutralstellung.
Der Preamp entwickelt durch die Verwendung von zwei EL84 Röhren eine sehr hohe Temperatur. Beim Einbau in ein Rack sollte auf ausreichend Platz ober- und unterhalb des IOD geachtet werden.
Der IOD arbeitet sehr Nebengeräuscharm und rauscht auch nur bei extremen Einstellungen. Der Sound ist zwar direkt wird aber maßgeblich durch die verbauten Röhren beeinflusst. 

Leider wird auch dieser Preamp aktuell nicht mehr hergestellt und ist nur noch gebraucht zu erhalten. Aufgrund des ehemals recht hohen Verkaufspreises von ca. 1800 DM entwickelte sich dieser Preamp auch nicht gerade zu einem Verkaufsschlager, so dass auch nur relativ wenige Exemplare verkauft wurden. Ein "Schnäppchen" auf dem Gebrauchtmarkt ist somit selten zu finden. Durch die große Bandbreite an Einstellungsmöglichkeiten deckt der Preamp ein weites Einsatzgebiet ab.
Die Verarbeitung ist sehr gut und robust und hält auch einem härteren Touralltag stand.

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